Die Auswirkungen des Korsetttragens auf die Gesundheit sind ein Thema das selten sachlich diskutiert wird. Und dies hat Tradition.

Solange es Korsetts gibt, gibt es Menschen die sie für gesundheitsschädlich halten. Noch heute werden Meinungen von Ärzten des 19. Jahrhunderts zitiert um zu „beweisen“ wie gefährlich so ein Korsett sei, selbst dann wenn deren Thesen wissenschaftlich völlig überholt und unhaltbar sind. Andere Argumente von anno dazumal, wie beispielsweise Hygieneprobleme (es gab noch keine tägliche Dusche...), sind heute ebenfalls bedeutungslos. Die folgenden Aussagen beruhen auf Gesprächen mit heutigen Ärzten und den Erfahrungen korsetttragender Menschen.

Ganz allgemein kann man sagen, dass es gesundheitlich völlig unbedenklich ist, wenn ein einigermaßen gesunder Mensch ein gut passendes, qualitativ hochwertiges und nicht sehr enges Korsett trägt. Dass die Passform für den Gesundheitsaspekt wesentlich ist, kann sicher jeder nachvollziehen. Schlecht passende Korsetts führen zu Druckstellen, scheuern oder quetschen, und wenn dies auch kein großes Risiko darstellt, weil wohl niemand so ein Ding längere Zeit anbehält, so ist dennoch klar, dass es nicht gesund sein kann. Weniger offensichtlich ist der Einfluss der Verarbeitungsqualität. Da Korsetts im Normalfall einiges an Metallteilen enthalten muss sichergestellt sein, dass diese nicht zu Verletzungen führen. Bei minderwertigen oder zu alten Korsetts kann es zu Brüchen der Metallteile oder zum Durchstoßen der umhüllenden Textilien kommen, was durchaus eine Verletzungsgefahr darstellt. Daher auf keinen Fall Korsetts mit defekten Metallteilen tragen.

Bisher bezogen sich die Aussagen auf nicht sehr enge Schnürung. Aber was ist „nicht sehr eng“? Und wie sieht die Sache aus wenn richtig fest geschnürt werden soll? Die erste Frage ist relativ einfach zu beantworten: ein festes Maß gibt es nicht, denn es bestehen riesige individuelle Unterschiede. Wenn das Korsett aber nach ca. einer Stunde Tragezeit fast nicht mehr als beengend wahrgenommen wird und dies auch für die nächsten Stunden so bleibt, ist man/frau auf jeden Fall auf der sicheren Seite.

Richtig interessant wird der medizinische Aspekt, wenn das Korsett sehr eng geschnürt wird. Ein weit verbreitetes Vorurteil besagt, dass dabei die im Taillenbereich verdrängten Organe woanders Platz finden müssen (z.b. im Bauchraum). Das ist nur teilweise richtig, denn die betroffenen Organe sind zum großen Teil Hohlorgane (Magen, Lunge, Darm), deren Volumen vom „Füllzustand“ abhängt. Wenn der Körper Zeit hat, sich an das Korsett zu gewöhnen, kann er sich daher recht gut anpassen. Insbesondere der weibliche Körper hat keine Probleme mit moderaten Verschiebungen im Bauchraum, denn bei einer Schwangerschaft geschieht dies in weitaus größerem Umfang.

Bedenklich wird es lediglich wenn, vom Ehrgeiz gepackt (was insbesondere vor gesellschaftlichen Großereignissen vorkommt), in kurzer Zeit supereng geschnürt werden soll. Die individuellen Unterschiede beim Tragen enggeschnürter Korsetts sind groß, sowohl von Mensch zu Mensch, als auch von Korsettmodell zu Korsettmodell. Manchmal kommt man/frau mit Modellen eines bestimmten Herstellers besonders gut zurecht, manchmal mit einem bestimmten Stil. Pauschale Aussagen können die eigene Erfahrung nie ersetzen. Darum sollen hier nur einige Warnsignale genannt werden, die darauf hinweisen, dass die persönliche Schnür-Grenze erreicht wurde.

Leichte Übelkeit oder Benommenheit, Hitzewallungen, Kopfschmerz, Atemnot, schneller Herzschlag oder Druckschmerzen sind deutliche Hinweise, dass man sich zuviel zugemutet hat. In diesen Fällen sofort aufschnüren. Auch Essen und Trinken haben einen Einfluss auf das Wohlbefinden im Korsett. Zu üppige Mahlzeiten sollten bei ehrgeiziger Schürung vermieden werden (wobei es aber auch hier wieder Künstlerinnen gibt, die trotz Wespentaille erstaunliche Mengen verdrücken können). Vor allem Quellgerichte (Reis, Getreideflocken) und kohlensäurehaltige Getränke können einem den Abend verderben.

Selbstverständlich sollte auch alles gemieden werden was bläht. Die theatralische Ohnmachtattacke (auch so ein Korsett-Vorurteil) wird man bei realen Treffs von Korsettliebhabern wohl kaum erleben. Wer das erste Mal teilnimmt ist oft erstaunt eine ganze Menge zwar eng geschnürter, aber den ganzen Abend munter erzählender Damen zu erleben, die nicht den Eindruck machen demnächst ohnmächtig dahin zu sinken. Auf Bällen wird sogar ausdauernd getanzt.

 

 

Es gibt einige Korsettliebhaber(innen), die ihr gutes Stück nicht nur zu besonderen Gelegenheiten, sondern oft, manchmal täglich, tragen. Gesundheitlich unbedenklich ist auch hier wieder das moderat geschnürte Korsett. Es kann bei bestimmten Tätigkeiten sogar einen gesundheitlichen Vorteil bringen, beispielsweise bei Bildschirmarbeit durch das Geradehalten des Oberkörpers. Doch nicht alle Korsettformen eignen sich dafür. Für längeres Sitzen darf das Korsett unter anderem im Beckenbereich nicht zu lang sein. Individuelle Beratung ist hier notwendig.

Wer sehr oft Korsett trägt sollte eine darauf abgestimmte Gymnastik betreiben, damit der Oberkörper nicht zu steif wird. Zwischen dem Korsetttragen und sportlichen Betätigungen sind eine längere Pause und Lockerungsübungen sinnvoll.

Abschließend noch einige Worte über das eigentliche „Tightlacing“, d.h. das (fast) ständige Tragen enggeschnürter Korsetts über einen längeren Zeitraum, mit dem Zweck, die Körperform bleibend zu verändern. Tighlacer sind sozusagen die Leistungssportler unter den Korsettträger(innen). Nicht jeder, der gerne Fahrrad fährt, trainiert für die Tour de France, aber wenn er es tut, muss er den gesundheitlichen Aspekt kritischer betrachten als der Freizeitsportler.

Beim Korsetttragen ist das ebenso, was nicht heißen soll, dass Tightlacing prinzipiell ungesund ist. Es gibt genug Beispiele von Damen die fast ihr Leben lang heftigst geschnürt waren und steinalt geworden sind. Es muss aber noch sorgfältiger als beim gelegentlichen Korsettieren darauf geachtet werden ob der Körper mitspielt. Wer Rekorde anstrebt sollte, wie der Leistungssportler auch, sich regelmäßig vom Arzt beraten lassen.

 

 

Es gibt einige Krankheiten, die das Tragen von Korsetts verhindern oder wenig ratsam machen.

Bei bestehenden Herz- oder Kreislaufbeschwerden, Krankheiten von Lunge und Atemwegen, Gefäßerkrankungen (insbesondere Venenproblemen) und einigen Krankheiten der Verdauungsorgane ist es besser kein Korsett zu tragen oder zumindest erst nach Beratung durch den Arzt. Ähnliches gilt bei Neigung zu Hautirritationen, wobei dies manchmal durch Wahl geeigneter Korsettmaterialien gelöst werden kann. Wie schon erwähnt wirken Korsetts bei Wirbelsäulenproblemen eher positiv. Dennoch kann es sein, dass sich eine bestimmte Wirbelsäule mit einem bestimmten Korsettmodell nicht verträgt, was wieder einmal ein guter Grund ist keine Korsetts per mail-order zu kaufen und sich bei Anproben Zeit zu lassen.