Historie des Korsetts - ein Überblick (1 von 3)

 

Vorwort

Dieser kurze Überblick soll die Entstehung und Entwicklung des Korsetts in den vergangenen Jahrhunderten schildern.  Dazu muss selbstverständlich auch auf die allgemeine Geschichte der Mode und ihren gesellschaftlichen Kontext eingegangen werden, allerdings immer nur kurz und auf das Wesentlichste beschränkt. Die Mode hatte in allen Epochen regionale Besonderheiten, kurzlebige Varianten und Sonderformen. Kurz gesagt: sie war weitaus komplexer, als es in diesem Text erscheint. Das gilt ganz besonders für das 19. Jahrhundert mit seiner enormen stilistischen Vielfalt, wo wirklich nur eine grobe Tendenz aufgezeigt werden kann.

 

Vielleicht fällt auf, dass für die frühen Epochen keine Bilder von den verwendeten Korsetts vorliegen. Das hat einen einfachen Grund: es gibt sie nicht. Die Künstler damals haben ihre Damen nicht in Unterwäsche gemalt und gut erhaltene Originale existieren erst ab dem 18. Jahrhundert.  Das Wissen über die frühesten Korsetts stammt von Textdokumenten, Rückschlüssen aus Gemälden und Textilbruchstücken. In vielen Fällen ist der Ausdruck „Wissen“ daher übertrieben und es handelt sich eher um begründete Annahmen.

 

Alte Zeiten - die Antike

 

Schlangengöttin, Kreta  

Um es gleich vorweg zu nehmen, Korsetts gab es damals noch nicht, zumindest gibt es keinen Beweis in Form von Fundstücken oder Schriften für irgend etwas, das diese Bezeichnung verdient. Was es gab sind Kulturen, die eine schmale Taille als Ideal anstrebten und dies in ihren Kunstwerken darstellten. Am bekanntesten ist die minoische Kultur, die ab 3000 v. Chr. bis 1400 v. Chr. im schönen Kreta existierte. Viele Bilder und Statuen aus minoischer Zeit erwecken stark den Eindruck, dass die Damen eine Art Mieder trugen oder die Taille sonstwie künstlich geschnürt wurde. Doch man weiß nichts Genaues darüber.

Die alten Dichter, wie Homer, fanden die Waffen der Männer eben viel interessanter als die Unterwäsche der Frauen.

Bild 1:

Statue einer Schlangenpriesterin oder Göttin, Kreta, ca. 1550 v.C.

  Auch in der darauffolgenden griechischen Kultur gab es diverse taillenbetonende Kleidungsstücke, doch nicht mehr so ausgeprägt wie bei den Kretern. Nach den Griechen folgte das Römische Reich als kulturell prägende Macht. Doch die nüchternen, zielstrebigen Römer und Römerinnen kleideten sich eher schlicht in Tunika und Toga.

Immerhin verwendeten die Frauen oft eine Art BH aus Stoffstreifen. Erst in der Kaiserzeit (nach Julius Cäsar und Asterix) begann die Oberklasse den Prunk zu schätzen, was sich jedoch eher in Gold und Juwelen als in raffinierten Kleiderschnitten bemerkbar machte.

 

Rittertum und Minnesang  - Das Mittelalter

 

Korsetts gab es immer noch nicht. Dennoch ist das Mittelalter interessant für deren Geschichte. Zum einen entwickelte sich die Kunst des Rüstungsschmiedens und Brustharnische waren in gewisser Weise die Vorbilder der ersten Korsetts  (siehe „Renaissance“, frz. „corset“ bedeutete ursprünglich Brustharnisch), zum anderen entwickelte sich in Europa ab dem 12. Jahrhundert zum ersten Mal eine ausgeprägte Damenmode mit wechselnden Stilen. Natürlich nur in der Oberschicht, die Bauernkittel interes- sierten wiederum niemanden - und das galt auch für die folgenden Jahrhunderte.      Maria Magdalena
In der sogenannten gotischen Epoche (14. Jhd.) waren schlanke Gestalten gefragt - nicht nur bei den Kirchtürmen sondern auch bei den Menschen.  

 Bild 2

Maria Magdalena aus dem Braque Tryptichon, Rogier van der Weyden

Die Damen trugen lange, enganliegende Gewänder. Es gibt Mutmaßungen (und einige vage schriftliche Hinweise*) dass der Schlankheit manchmal durch Bandagen nachgeholfen wurde. Das ist zwar naheliegend, denn auch damals gab es eitle Frauen, doch nicht beweisbar.

 

* Anm: Wolfram von Eschenbach (* um 1160/80; † um/nach 1220) singt u.a.:

"Ihr wißt, wie Ameisen pflegen

um die Mitte schlank zu sein,

Noch schlanker war das Mägdelein."

 

Etwa ab Ende des 13. Jahrhunderts gab es frontseitig geschnürte Mieder, die mit steifen Textilien und manchmal mit Messingdraht verstärkt wurden.

 

 

Die erste Korsettepoche - die Renaissance

(16. Jahrhundert)

 

Lady Catherine Parr

Bild 3

Lady Catherine Parr - letzte Frau Heinrich VIII

  „Renaissance“ heißt Wiedergeburt. Gemeint ist die Wiederentdeckung antiken Wissens und in einigen Ländern ein Zurückdrängen religiöser Verbote, die manche kulturelle Entwicklung behindert hatten.

Die antike Mode wurde allerdings nicht wiedergeboren. Stattdessen entstanden die äußerst prunkvollen Renaissancegewänder (wir reden natürlich wieder nur von den Begüterten bzw. Herrschenden, was damals meist dasselbe war) unter Verwendung feiner Stoffe, die teilweise importiert, teilweise durch Anwendung neuartiger Web- und Färbetechniken produziert wurden. Diese Pracht wollte man in Szene setzen.

Bei den Männern galt immer noch Eisernes als chic und so trug der Herr von Welt einen Brustharnisch zu offiziellen Anlässen. In Spanien (damals eine sehr einflussreiche Macht in Europa) wurde dieser Stil in der Damenmode aufgegriffen. Zwar trugen die Damen keinen Harnisch, doch sie sorgten auf andere Art dafür eine ebenso steife und hoheitsvolle Figur zu machen - das Korsett war geboren.

Diese ersten Korsetts bestanden aus Stoff- oder Ledermiedern, in die Holzstücke oder -stäbe und teilweise auch Metallteile eingenäht wurden. Sie hatten die Funktion zu stützen und durch Härte und Steifheit auch eine gewisse Unnahbarkeit der vornehmen Dame herzustellen, ganz ähnlich wie die Rüstung ihres Herrn Gemahls (die auch nur noch symbolische Bedeutung hatte, denn Feuerwaffen waren bereits im Gebrauch).

Was die Korsetts damals nicht bewirkten war eine gezielte Verringerung der Taillenweite. Auch die Brüste wurden nicht angehoben. Im Gegenteil, es galt als vornehm sie platt zu drücken. Hoheitsvolle Unnahbarkeit schloss mütterliche Rundungen aus. Passend zum Korsett wurde ein steifer, kegelförmiger Reifrock getragen. Dieser hatte eine dreifache Funktion: er diente dazu möglichst große Stoffmengen zu präsentieren, einen gewissen Abstand zum Rest der Welt herzustellen und (zumindest optisch) die Taille zu betonen.

Diese Kleidung gehörte sicherlich zum Unbequemsten, was sich Frauen jemals zufügten.

Die Tudormode in England war von der spanischen Hofmode beeinflusst und ähnelte ihr in vielen Stilelementen. Auch Österreich, wie Spanien zum habsburgischen Weltreich gehörend, wurde vom spanischen Stil beeinflusst, ebenso die Niederlande. Frankreich, Deutschland und Italien bevorzugten eine weniger steife Linie. Die Franzosen mochten offenbar sehr breite Hüften, denn sie erfanden die weit ausladende Reifrockvariante des „panier“.

In der Spätrenaissance regierte Elizabeth I. in England. Nach ihr ist der elisabethanische Stil genannt, der sich aus der Tudormode entwickelte, jedoch etwas weniger streng war und die Taille durch Einschnüren betonte. Diese Taillenreduktion wurde allerdings noch nicht durch das Korsett erreicht, sondern durch ein darunter getragenes Schnürmieder oder durch Bandagen.

 

Das Phoenix-Portät von Elizabeth I., Nicholas Hilliard, England, 1575-76
Das Phoenix-Portät von Elizabeth I., Nicholas Hilliard, England, 1575-76